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MOZ Artikel zur Aktion "Kein Acker der AfD!" in Strausberg am 5.9.2020

Antifa-Aktion:

Protest gegen AfD-Stammtisch im Alten Steuerhaus in Strausberg

Weitgehend friedlich, aber laut war eine Protestkundgebung gegen den AfD-Stammtisch im Alten Steuerhaus Strausberg. Von Reißzwecken auf dem Radweg ließen sich die Protestler nicht irritieren.

Von Jens Sell


Antifa-Aktion im Wald: Vor dem Gasthaus Altes Steuerhaus in Strausberg hatten die Organisatoren von der Jugendgruppe der VVN-Bund der Antifaschisten die Kundgebung veranstaltet.© Foto: Jens Sell

Zufall war es mit Sicherheit nicht, dass am Sonnabendnachmittag auf dem Radweg in Richtung Hohenstein vom Ortsausgang Strausberg an Hunderte Reißzwecken verteilt waren. Insgesamt mag es ein gutes Pfund der Reifentöter gewesen sein, das offensichtlich interessierte Kreise gezielt gestreut haben. „Je genauer man hinschaut, desto mehr sieht man“ rief ein Teilnehmer der für 15 Uhr angesetzten Protestkundgebung vor der Gaststätte Altes Steuerhaus an der Chaussee zwischen Strausberg und Hohenstein. „Das ist wie mit Nazis“, rief ein anderer. Das aufkeimende Lachen blieb im Halse stecken. Tatsächlich waren vom Sabotageakt mit Reißzwecken nicht nur die von der Jugendgruppe des Kreisverbandes der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten Mobilisierten betroffen, sondern auch unbeteiligte Radfahrer, die ihnen entgegenkamen oder junge Familien, die man am Abend das Kinderrad mit einem Platten den Weg entlang schieben sah.

Ernster Hintergrund Die kurze Radtour führte vom S-Bahnhof Strausberg-Stadt nur bis kurz vor das Traditionslokal Altes Steuerhaus. Dort versammelten sich rund 100 Anhänger der Antifaschisten. Zahlreiche ehemalige und aktuelle Linken-Stadtverordnete einschließlich des Stadt- und Kreisverbandsvorsitzenden Niels-Olaf Lüders waren zu sehen, ebenso der Ortsvorsteher von Hohenstein, Jens Knoblich, oder das wandelnde Stadtgeschichtsbuch Rolf Barthel. Auch Mitglieder aus Klosterdorfs Ökologischer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft ÖkoLeA zeigten unter Mund-Nasen-Masken Gesicht, um dagegen zu protestieren, dass der Wirt des Alten Steuerhauses, Peter Scholz, regelmäßig der Alternative für Deutschland Raum für ihren Stammtisch gibt.

Transparente vor dem Gasthaus Altes Steuerhaus: Sie grenzten den Kundgebungsort ab. Zum Traditionslokal hin hatten sich die Polizeibeamten aufgestellt. © Foto: Jens Sell

Die Kundgebung fand weitgehend im Wald vor dem Parkplatz des Lokals statt, den die Polizei mit Flatterband abgesperrt hatte. Die Ladefläche eines gemieteten Kleinlasters wurde zur Bühne, ein Aggregat lieferte Strom. Die Polizei war mit rund einem halben Dutzend Einsatzfahrzeugen vor Ort und hatte die Lage locker unter Kontrolle, zumal es außer den akustischen keine Angriffe auf das Alte Steuerhaus gab. Dafür sorgten auch Ordner mit der nötigen Autorität wie Niels-Olaf Lüders oder der VVN-BdA-Kreisvorsitzende Wolfram Wetzig.

Ideenfindung und Vernetzung Die Organisatoren zeigten sich sehr erfreut über die große Zahl der Teilnehmer, trotz Reißzwecken und einer Hassmail, die sie am Vortage erreicht hatte und sie „in die geschlossene Psychiatrie“ wünschte sowie sie als „staatlich finanzierten Abschaum“ bezeichnete. „Wir sind trotzdem hier fordern lautstark: Kein Raum, kein Acker und kein gemütliches Bier für die AfD!“ Die regelmäßigen Stammtische in Lokalen wie dem Alten Steuerhaus dienten nicht nur der Ideenfindung und kommunalpolitischer Absprachen, sondern vor allem der Vernetzung. Auch würden immer wieder Vertreter der Landesverbände Berlin und Brandenburg, die besonders dem rechten Flügel zuzuordnen seien, dabei begrüßt. Die Redebeiträge wurden unterbrochen von deutschsprachiger Rap-Musik, die sich in ihren Texten kritisch mit Strausberg auseinandersetzt: Die PC Toys, das sind die Brüder Leonid und Louis Krumheuer, haben es darin zu einer gewissen Meisterschaft gebracht, die die vorwiegend jungen Teilnehmer mitriss und die Älteren die Stirn runzeln ließ.

Antifa-Aktion Kein Raum für die AFD am 05.09.2020 vor dem Gasthaus Altes Steuerhaus: Die PC Toys rappen deutsch. © Foto: Jens Sell

„In vierter Generation“ Der Inhaber des Alten Steuerhauses, Peter Scholz, hat wenig Verständnis für die Protestaktion vor seinem Lokal. Am Sonnabend blieb die Tür zu: „Geschlossene Gesellschaft“, erklärte er auf Nachfrage der Zeitung. Zum Problem unterschiedlicher politischer Gruppen, die sich bei ihm treffen, antwortete er sehr grundsätzlich: „Wir haben das Gasthaus jetzt in vierter Generation. Wissen Sie, was für Gruppen welcher politischen Couleur in all den Jahrzehnten hier ihre Dinge besprochen haben? Wir, meine Eltern, meine Großeltern und Urgroßeltern, haben uns da immer rausgehalten, sonst wären wir nicht mehr hier Gastwirte. Ich distanziere mich auch ausdrücklich von allen hier besprochenen politischen Inhalten, weil ich politisch komplett neutral bin.“

Jeder Gast ist willkommen Gegenwärtig tagten im Alten Steuerhaus auch die Jäger, die Sportschützen und die Kleingärtner: „Keinem von denen habe ich irgendetwas vorzuschreiben. Ich bringe die Speisen und Getränke, und darüber kann ich in diesen Corona-Zeiten schließlich noch froh sein“, sagt Peter Scholz. Bei ihm sei jeder gern als Gast gesehen, solange er sich an die Spielregeln der Demokratie und des Hauses halte: „Und auch diese Partei ist ja wohl demokratisch gewählt worden“, merkt er an. Für die jungen und alten Antifaschisten vor der Tür zeigt er kein Entgegenkommen. Samuel Signer von der VVN-BdA-Jugend hat ihn vor der Kundgebung angesprochen: „Er hat nicht eingelenkt.“ Der Zeitung sagt Peter Scholz: „Ich lasse mich nicht nötigen.“ Ein Vertreter der Berliner Initiative „Kein Raum der AFD“ berichtet unter dem Beifall der Teilnehmer, dass in der Hauptstadt bereits 100 Lokale der AFD Hausverbot erteilt hätten, darunter auch große Häuser: „So haben sie derzeit krasse Probleme, ihren Landesparteitag abzuhalten!“ Ziel sei es, die AFD aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen.



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